07.10.2000
Wenn zur Jagd geblasen wird
Die Rheinische
Provinzialverwaltung (Landschaftsverband Rheinland), früher in Düsseldorf,
konnte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg durch einen glücklichen Hinweis im Brüsseler
Kunsthandel zwei Skizzenbücher des Malers Renier Roidkin aus Spa mit über 600
Zeichnungen erwerben. Diese Tuschzeichnungen bilden eine Fundgrube von Ansichten
westdeutscher Kirchen, Burgen, Schlösser und Städte aus der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts. Darunter befindet sich auch eine phantasievolle Zeichnung von
GroßWinkelhausen im hohen Norden von Düsseldorf, wo die Landschaft noch
weitgehend von Forst- und Landwirtschaft geprägt ist. Der Künstler hat das
Blatt am oberen Rand mit Winkelhausen bezeichnet, eine Jahreszahl fehlt. Das
Bild zeigt aber auch, daß große Teile des Herrenhauses, das an der Nordseite
lag, nach der Entstehung der Zeichnung zerstört wurden. Vielleicht waren
verheerende Brände die Ursache. Die noch erhaltenen Fundamente geben uns eine
Vorstellung von der Größe der Anlage. Sie war von doppelten Wallgräben, die
von der Anger gespeist wurden, umgeben. Wie bei den Schlössern Heltorf und
Kalkum handelt es sich um eine Wasserburg, die einen natürlichen Schutz bot.
Erste Erwähnung findet der
Rittersitz Winkelhausen bereits im 12. Jahrhundert. Nach ihm nannten sich auch
seine Eigentümer. Erhalten ist im wesentlichen der mittlere Trakt, der zwar
alte Bausubstanz enthält, aber doch erst aus dem 17. Jahrhundert stammt, wie
die Jahreszahl 1668 des gräflichen Wappens über dem Haupttorbau aus
Feldbrandsteinen mit starker Bossengliederung des Barockportals ausweist. Dieses
Portal lehnt sich an einen alten Turmstumpf aus der ursprünglichen Anlage: An
der Ostseite, links neben dem Torbau, befindet sich ein Fachwerkgebäude, das im
Innenhof eine durchlaufende Holzgalerie zeigt. Eigentümer ist Hermann Graf von
Hatzfeldt-Dönhoff.
Die Herren von Winkelhausen
werden schon im 13. Jahrhundert an verschiedenen Orten im Bergischen Raum erwähnt.
Im Jahre 1456 hatte Hermann von Winkelhausen seinen Wohnsitz auf dem Rittersitz.
Sein Sohn Ludger war 1486 Herr auf Winkelhausen. Durch Erbschaft fiel ihm Schloß
Kalkum zu. Ein Johann Wilhelm, Freiherr von Winkelhausen, wird 1634 als Herr zu
Winkelhausen erwähnt. Dessen Tochter Johanna Maria Theresia erbte 1667
Winkelhausen. Sie hatte 1655 den Freiherrn Arnold von Wachtendonk geheiratet,
der nach dem Tode des Freiherrn Johann Wilhelm von Winkelhausen seinen Wohnsitz
auf dem Rittersitz nahm. Eine Nichte von Johann Wilhelm Freiherrn von
Winkelhausen, die Freiin Anna Isabella Johanna Maria von Winkelhausen, vermählte
sich 1739 mit dem Grafen Edmund Florian von Hatzfeldt-Wildenburg-Weisweiler.
Eine Marmortafel über dem Portal im Innern der Kapelle hielt die Einheirat der
Hatzfeldts in die gräfliche Familie von Winkelhausen fest. Aus Anlaß der
Hochzeit war die Kapelle gründlich renoviert worden. Erst in jüngster Zeit ist
diese Erinnerungstafel verschwunden. Damit starb der Name Winkelhausen auf Schloß
Kalkum aus.
An die Grafen von Hatzfeldt, die
später gefürstet wurden, fielen dann im Laufe der Zeit auch der Rittersitz
Winkelhausen und das Gut Kaldenberg. Pächter des alten Herrensitzes
Winkelhausen war seit dem Jahre 1909 Wilhelm Sonnen (+23.4.1953), dem sein Sohn
Karl folgte, ohne daß dieser einen festen Pachtvertrag für das etwa 400 Morgen
umfassende Gut in Händen hat.
Zu dem Herrensitz gehörte auch
immer eine Kapelle, die dem Heiligen Hubertus, dem Patron der Jäger, geweiht
war. Hier kamen die adeligen Jagdherren, Förster und Treiber zusammen, um vor
dem Altarbild des Heiligen Hubertus ein Gebet zu verrichten, wenn zur Jagd
geblasen wurde. In der Zeit des Wiederaufbaus von Groß-Winkelhausen um 1668 muß
auch die St.-Hubertus-Kapelle, die jenseits der regulierten Anger liegt, entstanden
sein. Es handelt sich um einen wohlproportionierten Barockbau mit geschweiftem
Backsteingiebel und Voluten. Auf dem Satteldach befindet sich ein einfacher
Dachreiter. Über dem Türsturz sehen wir das gräfliche Wappen der Herren von
Winkelhausen, ein Teerfackeleisen.
Die halbrunde, gewölbte Apsis
ist ein wenig eingezogen und besitzt zwei Rundbogenfenster. Im übrigen ist
die Kapelle flach gedeckt und die beiden Längsseiten tragen je zwei
Rundbogenfenster. Die St. Hubertus‑Kapelle könnte eine Zierde der schönen
Landschaft sein, wenn sie sich nicht schon seit etwa 15 Jahren in einem
desolaten Zustand befände. Sie steht schon lange auf der Liste „Bedrohte
Denkmäler". Um ihre Erhaltung bemühen sich seit Jahren die Pfarrgemeinde
St. Remigius in Wittlaer, in deren Sprengel sie liegt, das Kulturamt der Stadt Düsseldorf,
der Landeskonservator in Bonn, der Rheinische Verein für Denkmalpflege und
Landschaftsschutz in Köln, das Erzbistum Köln und viele Freunde der reizenden
Umgebung aus Düsseldorf und Duisburg. Es hat auch bereits eine offizielle
Besichtigung von den zuständigen Gremien unter Hinzuziehung des Diplom-Architekten
Alo Terhoeven stattgefunden. Terhoeven hat auch einen Auftrag zur Ermittlung der
Baukosten erhalten. Er würde nach seinen vorbildlichen Arbeiten in Gerresheim
und in der Karlstadt die Erfahrung mitbringen, aus der noch erhaltenen
Bausubstanz die hübsche Kapelle wieder erstehen zu lassen.
Die letzte Renovierung der
Kapelle ließ der verstorbene Wilhelm Sonnen durchführen, als sein Sohn Ludwig
und seine Tochter Wilhelmine dort im Jahre 1948 von Pfarrer Heinrich Stypertz
aus Wittlaer getraut wurden. Der Pfarrer von Wittlaer hielt in der Regel dreimal
im Jahr Gottesdienste in der Kapelle ab: Am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt
nach einer Bittprozession von Wittlaer nach Groß-Winkelhausen, in den
Sommerferien eine gestiftete Gedächtnismesse für die gräfliche Familie von
Hatzfeldt und am 3. November aus Anlaß des Patroziniumsfestes St. Hubertus.
Etwa im Jahre 1968 oder 1969 fand die letzte Bittprozession zur St: Hubertus-Kapelle
statt. Dechant Heinrich Stypertz glaubte, wegen des baufälligen Zustandes der
Kapelle einen Gottesdienst in ihr nicht mehr verantworten zu können. Es darf
nicht verschwiegen werden, daß mutwillige Zerstörungswut unkontrollierter
Banden dazu führte, daß auch die Inneneinrichtung wie der Altar mit dem
Tafelbild des Heiligen Hubertus aus der Barockzeit vernichtet wurden. Selbst die
Altarplatte wurde zerstört.