07.10.2000
Porträtist der Düsseldorfer Gesellschaft
Der
Bildnismaler Franzjosef Klemm (1883-1959)
In keiner anderen Bildgattung
ist in unserem Jahrhundert die Konkurrenz der Fotografie so übermächtig
geworden wie in der Porträtmalerei. Dies mag als ein Grund dafür angesehen
werden, daß es in der Düsseldorfer Kunstszene des späteren 19. und des 20.
Jahrhunderts gegenüber einer Vielzahl hervorragender Landschafts- und
Genremaler nur wenige Porträtisten von Format gegeben hat. Zu nennen wären
hier vor allem Walter Petersen (1862-1950) und Fritz Reusing (1874-1956), die in
bravourös gemalten und gezeichneten Bildnissen brilliert haben. An ihre Seite
tritt der jüngere Franzjosef Klemm, der sich in einem Maße auf das Bildnisfach
spezialisierte, wie es nach ihm eigentlich kein Düsseldorfer Künstler mehr tun
sollte.
Am 1. März 1883 in Köln
geboren, besuchte er von 1903 bis 1904 die dortige Kunstgewerbeschule. Im Jahre
1904 zog es ihn an die Münchener Akademie, wo er der Zeichenklasse von
Professor Feuerstein und später der Malklasse von Professor Hugo von Habermann
angehörte. Gerade von Habermann konnte Klemm wichtige Impulse für seine Beschäftigung
mit dem Porträtfach erhalten. Von 1909 bis 1916 setzte der Künstler seine
Studien an der Düsseldorfer Akademie fort. Er besuchte die Malklasse von Eduard
von Gebhardt, bei dem er schließlich Meisterschüler wurde. Auch bei Gebhardt
konnte Klemm nicht nur die perfekte Beherrschung malerischer Mittel, durch
„altmeisterliche" Präzision geprägt, sondern auch die künstlerische
Umsetzung physiognomischer Details erlernen. So ist das im Jahre 1914 gemalte
Porträt des Dr. Rheindorf noch ganz vom Malduktus und der Bildauffassung Eduard
von Gebhardts geprägt. Wie schnell sich der Künstler von akademischer Strenge
gelöst und zu modernerer Formgebung und Lichtführung gefunden hat, beweist
eine ganz locker und spontan gemalte Ölstudie, die drei Frauen beim
Kerzenziehen an einer Werkbank zeigt. Sie steht offensichtlich der spätimpressionistischen
Manier eines Max Liebermann nahe. Klemms virtuose Behandlung des Technischen und
sein kompositionelles Geschick kommen hier bereits deutlich zur Geltung.
Eine im Jahre 1915 in der Düsseldorfer
Kunsthalle veranstaltete Kollektivausstenung darf als der Durchbruch des Künstlers
bezeichnet werden. In den 20er Jahren wurde Franzjosef Klemm mehr und mehr zum
Porträtisten der Düsseldorfer Gesellschaft. Ein besonders wichtiger Auftrag
und zugleich ein besonders ambitiöses Gemälde ist das Gruppenbildnis, das anläßlich
der GESOLEI im Jahre 1926 entstanden ist. Dargestellt sind in diesem an holländischen
Gruppenkompositionen orientierten Bild von links nach rechts der
Stadtbaudirektor Meyer, Bürgermeister Reuter, der Beigeordnete Dr. Thelemann,
Direktor Ernst Poensgen, Oberbürgermeister Dr. Dr. Lehr, Geheimrat Prof. Dr.
Schloßmann, Professor Dr. Bürgers, Geheimrat Dr. Wilms-Posen und schließlich
der ausführende Architekt des im Hintergrund als „Bild im Bilde"
erscheinenden Gebäudekomplexes mit dem Planetarium, Professor Wilhelm Kreis.
Im Jahre 1940 war in der Düsseldorfer
Kunsthalle eine zweite große Kollektivausstellung mit Bildnissen und Studien
von Klemm zu sehen, auf der auch dieses Gruppenporträt vertreten war. Bereits
die Exponate dieser Ausstellung machen deutlich, daß Klemm insbesondere zum
Porträtisten der rheinisch-westfälischen Großindustrie geworden war.
So hatte er Fritz Henkel, Emil
Kirdorf, P. Klöckner, Hugo Stinnes, August Thyssen und Dr. Fritz Thyssen in
eindrucksvollen Bildnissen für die Nachwelt festgehalten. Zu den vielleicht
spontansten und "intimsten" der auf dieser Ausstellung gezeigten Porträts
gehört das Bildnis des Hoffotographen Julius Söhn. Höchst eindrucksvoll
erscheint auch die Reihe der Selbstbildnisse, die das gesamte Schaffen Klemms
wie ein roter Faden durchziehen. Ganz besonders das Selbstporträt mit hohem Hut
im Besitz des Düsseldorfer Kunstmuseums ist in seiner breiten pastosen Malweise
und seinem an Rembrandt geschulten Hell‑Dunkel erwähnenswert. Gerade die
Selbstporträts und Selbstbildnisstudien dienten Klemm zu einer
Auseinandersetzung mit der Historie, zu einem Sichmessen mit den Großen der
Vergangenheit.
So scheint ein anderes
Selbstporträt an Chardin orientiert. In mehreren Selbstbildnissen hat er sich
im Sinne eines „Memento Mori" mit der drohenden Gestalt des Knochenmannes
im Hintergrund dargestellt. Hiermit griff er eine Tradition auf, die sich nicht
nur in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts, sondern auch in der
deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts findet. Arnold Böcklin hat sich mit der
Gestalt des fiedelnden Todes im Hintergrund porträtiert. In einem der berühmtesten
Selbstporträts des Lovis Corinth ist aus dem makabren Fiedler ein ganz und gar
"ungespenstisches" Skelett geworden, das zu den Requisiten des
Ateliers gehört. Klemm greift eher auf die pathetische Sehweise Böcklins zurück
und zeigt sich in einer seiner Selbstdarstellungen von der Gestalt des
grinsenden Todes hinterfangen, der mahnend das Stundenglas präsentiert. In
einem anderen Selbstporträt spielt dem mit Kittel, Palette und Pinsel ausgerüsteten
Maler der die Querflöte blasende, in ein gestreiftes Harlekinsgewand gekleidete
Tod zu einer „Danse macabre" auf. Gerade in solchen ganz und gar
privaten, nicht als Auftragsarbeiten entstandenen Bildern zeigen sich die hohen
malerischen Qualitäten Klemms und seine Befähigung zu originellen,
spannungsvollen Bildkompositionen.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg
konnte Klemm seine Position als bevorzugter Bildnismaler behaupten. Er hat Persönlichkeiten
wie Konrad Adenauer oder Josef Kardinal
Frings in lebensvollen Porträts
verewigt. Mit Franzjosef Klemm hat die Düsseldorfer Malerei im Jahre 1959 einen
der letzten Porträtisten „Alter Schule" verloren.
Über die Bedeutung des Malers für
die Düsseldorfer Porträttradition hinaus gibt es noch einen besonderen Grund,
Franzjosef Klemm im Wittlaerer Jahrbuch vorzustellen. Wie sein Zunftkollege Max
Clarenbach, dessen Ruhm als einer der größten rheinischen Landschaftsmaler
unbestritten ist, hat auch Klemm schon in frühen Jahren Wittlaer zu seiner
Wahlheimat gemacht. Nahe dem Rheinufer haben sich beide Künstler ihre repräsentativen
Häuser errichten lassen. Während die von Olbrich entworfene Jugendstilvilla
Clarenbachs nach Erbauseinandersetzungen umgebaut wurde und in fremde Hände
kam, ist das Haus Klemm noch im Besitz der Familie des Künstlers. Hier
verwaltet seit dem Tode Franzjosef Klemms die rüstige Witwe des Malers sein künstlerisches
Erbe.
Dirk
Kocks