Die Zeit gab Pfarrer Franz Vaahsen recht Ewald Matare als Schöpfer sakraler Kunst in Wittlaer Ewald Matare wurde am 25.
Februar 1883 in Aachen geboren Schon dort begann er mit dem Studium der
Malerei bei Eugen Klinkenberg. Von 1907 bis 1914 setzte er das Studium
der Malerei an der Hochschule für bildende Künste in Berlin fort. Seit
1912 war er dort Schüler des aus Ostpreußen stammenden Malers Lovis
Corinth und wurde 1914 Meisterschüler des Malers Arthur Kampf, der wie
Ewald Matare in Aachen geboren wurde. Seit dem Jahre 1920 wandte er sich
mehr und mehr der Bildhauerkunst zu, die ihn eigentlich bekannt werden
ließ, obwohl auch die Malerei, vor allem die Glasmalerei, die Graphik
(Holzschnitte) und die Textilkunst ihren gebührenden Platz in seinem
Lebenswerk behielten. Im Jahre 1932 erhielt Ewald
Matare einen Ruf als Lehrer für Bildhauerei an die Staatliche
Kunstakademie in Düsseldorf. Seinen Wohnsitz nahm er in Büderich
(Meerbusch). Seine Lehrtätigkeit wurde aber bereits im Jahre 1933 jäh
beendet, weil seine Kunst in jener Zeit wohl als „entartet" galt.
Um jene Zeit muß Pfarrer Franz Vaahsen in Wittlaer ihn schon
kennengelernt haben, denn er gehörte neben Mattare, Nauen, Mitscherlich
u. a. dem Kreis der „Kerzianer" an, die regelmäßig bei
Kerzenlicht an verschiedenen Orten, später jedoch nur noch in Büderich,
zusammenkamen und Gespräche über bildende Kunst führten. Pfarrer Franz Vaahsen ließ in
seiner Amtszeit (1924 bis 1944) die spätromanische Klein-Basilika in
Wittlaer mit moderner sakraler Kunst ausschmücken. Zwischen 1925 und
1927 hatte der Niederländer Jan Thorn Prikker, der damals
Hochschullehrer in Düsseldorf war, sie mit neuen Fenstern, die der
mittelalterlichen Glasmalerei nachempfunden waren, versehen. An
mittelalterlicher Plastik hatte die Pfarrkirche in Wittlaer manches gute
Stück aufzuweisen, doch hatten sich im 19. Jahrhundert, wie fast überall
im kirchlichen Bereich, sogenannte „Devotionalien"
eingeschlichen. Es ist das große Verdienst von Ewald Matare und seinem
Auftraggeber Franz Vaahsen, moderne sakrale Kunst in einen alten, ehrwürdigen
Bau einzubinden. Der versteckte Thomas Ewald Matare, der am 29. März
1965 in Büderich (Meerbusch) starb, hat Tagebücher hinterlassen, die
vom 16. November 1915 bis zum 6. Februar 1965 reichen. Schon bald nach
seiner Übersiedlung von Berlin nach Büderich tauchen darin Wittlaer
und sein Pfarrer Franz Vaahsen auf. Die erste Erwähnung erfolgt am 14.
August 1933. Er berichtet darüber, daß er einige Kelche zuerst aus
Holz und dann in Metall gestaltet habe. Darunter war auch einer in
Eisenguß, der „sogar den Beifall eines Pfarrers Vaahsen aus Wittlaer
bei Düsseldorf fand, der ihn kaufte und nun bemüht ist, ihn
konsekrieren zu lassen". Er spricht bereits die Vermutung aus, daß
das wohl schwer halte. Da dieser Kelch, was sein Material angeht, den
kirchlichen Vorschriften nicht entsprach, waren die Bemühungen von
Pfarrer Vaahsen vergeblich. Er soll ihn den Kartäusern, die damals noch
ihr Kloster in Düsseldorf-Unterrath hatten, geschenkt haben. Am 2. August 1934 finden wir die
Eintragung über das Schicksal seiner Skulptur des HL Thomas von Aquin,
die ganz mit farbigen Mosaiksteinen belegt war und ursprünglich für
die Fassade der St.-Thomas-Kirche in Berlin-Charlottenburg bestimmt war.
Die Figur war am Karfreitag 1933 in Charlottenburg enthüllt worden, löste
aber laute Proteste der Gemeinde und ihres Pfarrers aus. Sie mußte auf
Anordnung des Berliner Ordinariats wieder entfernt werden. Ewald Matare
wünschte aber dieser Plastik, an der er und seine Frau Hanna mit viel
Liebe gearbeitet hatten, einen anderen guten Platz und schenkte sie dem
künstlerisch sehr aufgeschlossenen Pfarrer Vaahsen, der sie,
eigenwillig wie er nun einmal war, im Frühjahr 1934 am Kirchturm in
Wittlaer anbringen ließ. Von dort schaute der Heilige, der Verfasser
der SUMMA THEOLOGICA, mit großen, seherischen Augen weit in die
niederrheinische Landschaft hinab. Ewald Matare war der Meinung, die
farbigen Steine der Plastik würden gut in der neuen Umgebung passen und
der Platz am Kirchturm in Wittlaer sei besser als der in Charlottenburg.
Er räumte zwar ein, daß seine Arbeit problematisch sei und von den
vielen Passanten mit geteilten Gefühlen betrachtet würde. Bereits am 31. März 1935
erhielt Pfarrer Vaahsen vom Erzbischöflichen Ordinariat in Köln die
Aufforderung, die Figur auf seine Kosten wieder zu entfernen, weil die
Geistigkeit im Gesicht des Heiligen vom Künstler nicht erreicht sei.
Matare schreibt am 2. April 1935 in seinen Tagebüchern, er würde die
Plastik, an der er und seine Frau Hanna mit viel Liebe gearbeitet hätten,
"am liebsten entzweischlagen". Pfarrer Vaahsen würde er den
Vorschlag machen, sie im Kirchhofgarten zu beerdigen, „ihr würde die
kühle Erde nichts anhaben, und nach Jahren kann sie auferstehen".
Aber Pfarrer Vaahsen dachte praktisch und auch pfiffig, er ließ sie auf
vielfaches Drängen hin durch eine Mauernische in den Kirchturm schieben
und bis zur Höhe des Kopfes eine Mauerwand davor hochziehen. Durch ein
verglastes Guckloch konnte der Heilige Thomas weiter in die
Stromlandschaft hinuntersehen. Er konnte nicht mehr erleben, daß in der
letzten Phase des zweiten Weltkrieges der Kirchturm von Wittlaer von den
Amerikanern vom linksrheinischen Ufer aus mit seinen beiden
Obergeschossen und dem Turmhelm unter Beschuß genommen wurde. Dabei
wurde dann leider die umstrittene Figur des Heiligen Thomas vernichtet. Das jüngste Gericht Am 27. März 1935 erwähnt Ewald
Matare den Entwurf für eine Stola, die dann seine Frau Hanna für
Pfarrer Vaahsen ausführte und die auch heute noch benutzt wird.
Gleichzeitig spricht Ewald Matare den Willen aus, eine Kasel zu
entwerfen. Ob diese damals noch ausgeführt wurde, ist nicht bekannt.
Bei der Paramentenfirma J. W. van den Wyenbergh in Kevelaer befand sich
aber der Entwurf für eine Kasel, die ganz mit Blumen bestickt war.
Diese ließ Pfarrer Hermann Joseph Koch in seiner Amtszeit (1971 bis
1977) in grüner Farbe ausführen. Die Stickereien wurden aber auf Teile
um den Halsausschnitt beschränkt. Die Kasel gehört zum Bestand der
liturgischen Gewänder der Pfarrkirche von Wittlaer. Im November 1934 vermerkt Ewald
Matare in seinen Tagebüchern, daß er „mit Vergnügen an einem
Sakramentshäuschen für Wittlaer arbeitet". Diese Arbeit, so
schreibt er, mache ihm viel Freude. Den Tabernakel umgab er mit einem
„Tempel", der im Entwurf zu hoch ausgefallen war, so daß die
Aussetzung des Allerheiligsten nicht möglich gewesen wäre. So mußte
er aus praktischen Gründen kleiner werden. Es handelt sich um eine schöne
Silber- und Holzeinlegearbeit. Am 27. März 1935 schreibt Ewald Matare,
das Sakramentshäuschen sei so weit, daß es um Ostern eingeweiht werden
könne. Er spricht aber davon, daß die ganze Umgebung - er meint wohl
den neugotischen, viel zu großen Altar - umgestaltet werden müsse. Die
alten Aufbauten wurden entfernt. Streng genommen entsprach auch der
Tabernakel nicht den kirchlichen Vorschriften, denn Ewald Matare stellte
ihn auf kleine Füßchen, obwohl er mit der Mensa fest verbunden sein mußte.
Für den Altar schuf er je zwei hohe Kerzenleuchter aus Bronze - und
Eisenguß. Einer seiner Schüler schuf dann noch vier Tonvasen für die
Blumen. Das ganze sollte einfach, aber schön sein, wie es Matares und
Vaahsens Vorstellungen entsprach. Im Jahre 1936 schuf Ewald Matare für
den Tabernakel ein Altarkreuz aus Eisenguß, das seinen großen
Einfallsreichtum zeigt. Auf der Vorderseite sehen wir das blutige Opfer
Christi am Kreuz auf einer Weltkugel stehend (Erlöser der Welt), auf
der Rückseite ist das unblutige (sakramentale) Opfer: Kelch und Hostie
dargestellt. Die Form des Querbalkens geht auf ein altes chinesisches
Zeichen zurück Wenn um die Weihnachtszeit die Krippe über dem
Tabernakel aufgebaut war, stand ein kleineres Kreuz aus Zinnguß vor der
Krippe, das ebenfalls um 1936 von Ewald Matare geschaffen wurde. Es hat
jetzt seinen Platz auf dem Ankleidetisch der Sakristei. Um den wuchtigen
Stipes (Unterbau des Altares) seine Schwere zu nehmen, hatte Irene Götschkes,
eine Schülerin von Jan Thorn Prikker, zwei Antependien geschaffen, von
denen eines die vier Evangelistensymbole zeigte. Nach einem Bericht von
Ewald Matare habe Pfarrer Vaahsen inzwischen den Anstrich der Kirche in
hellem Weiß veranlaßt, wobei auch die Darstellung des Jüngsten
Gerichts auf der Chorwand verschwand. Der Maler Heinrich Nauen legte für
diese Wand einen Entwurf vor, der aber Pfarrer Vaahsen nicht gefiel. Die lebende Kunst Um 1939 erwarb Pfarrer Vaahsen
von Ewald Matare ein Bronze‑Kruzifix mit zwei Figuren (Maria und
Johannes), die in den Jahren 1935 bis 1938 entstanden waren. Diese
Gruppe schenkte Pfarrer Vaahsen seiner Pfarrgemeinde zum Christkönigsfest
1939. Sie fand ihren Platz an der Stirnwand des rechten Seitenschiffs.
Das Kreuz ist mit Kupferblech überzogen. Auffallend ist der starke
Kontrast zwischen den drei Plastiken. Christus ist als Überwinder allen
Leids dargestellt. Daher das Schwebende des überschlanken Körpers mit
dem durchgeistigten Antlitz. Die beiden Assistenzfiguren sind dagegen überaus
klein. Darüber schreibt Ewald Matare in seinen Tagebüchern, daß sie
„über den Begriff der Schmerzensmutter hinaus den allgemeinen Schmerz
über das Geschehen am Kreuz und in seiner männlichen Figur die Ekstase
über das gewaltige Erlebnis symbolisieren sollte. Bei der männlichen
Figur hielt ich mich frei an die Gestalt und den wachen Ausdruck Pastor
Vaahsens, wenn er vom kämpferischen Geist um die gute Sache erfüllt
war". Bei seinen Bemühungen, die
„lebende" Kunst zu fördern, stieß Pfarrer Vaahsen beim Erzbischöflichen
Ordinariat in Köln auf Widerstand. Uns will scheinen, daß man mehr die
Eigenwilligkeit des Pfarrers als den Künstler treffen wollte, weil
jener immer wieder Maßnahmen in seiner Pfarrldrche durchführte, ohne
vorher die Genehmigung einzuholen. Die beiden Begleitfiguren mußten
entfernt werden und konnten erst im Jahre 1958 nach einer gründlichen
Renovierung unter der verantwortlichen Leitung von Diözesanbaumeister
Willy Weyres wieder aufgestellt werden. Man darf heute wohl mit gutem
Recht sagen, daß sich diese Kreuzigungsgruppe in den ehrwürdigen Raum
einfügt. Nicht ohne Grund befindet sich seit einigen Jahren ein zweiter
Abguß in den Vatikanischen Museen. Die Pfarrkirche in Wittlaer übt
schon seit einigen Jahrzehnten eine starke Anziehungskraft auf die
Freunde moderner sarkaler Kunst aus. Das Sakramentshäuschen konnte nach
der Neugestaltung des Chorraumes seit dem Jahre 1969 auf die Dauer nicht
mehr verwandt werden. Es bleibt aber ein beispielhaftes Kunstwerk seiner
Zeit und beansprucht einen würdigen Platz in der Kirche oder ihren
Nebenräumen. Die Verhaftung Im Zusammenhang mit seiner Fertigstellung schreibt Ewald Matare am 27. März 1935, daß er inzwischen einen Kelch in Silber, vergoldet, angefertigt habe, von dem er glaube, daß er den kirchlichen Vorschriften entspreche. Dieser Kelch ist signiert und gehört zum liturgischen Kultgerät der Pfarrkirche in Wittlaer. Er zeichnet sich durch große Schlichtheit aus. Er besitzt einen weiten, trichterförmigen Fuß, der Nodus ist mit Steinen besetzt und die Kuppa ist trichterförmig ausgebildet. Aus der gleichen Zeit stammt eine schlichte, vergoldete Monstranz ohne Retabel. Das Hauptgewicht legte der Künstler auf das Schaugefäß der Hostie, das auf einem oval ausgeweiteten Fuß aufsitzt. Die beiden Glasfenster in der nördlichen Sakristei stammen nach einer Notiz vom 7. März 1937 ebenfalls von Ewald Matare. Sie lassen erkennen, daß er auch auf dem Gebiet der Glasmalerei ein Meister war. Das linke Fenster zeigt einen blutenden Fisch über einem Kelch, das rechte eine Taube mit Ölzweig über der Wasserflut. Für den Kirchenchor Cäcilia in Wittlaer schuf Ewald Matare im Jahre 1963 eine sehr schöne Fahne, bei deren Einweihung durch Dechant Heinrich Stypertz der Künstler mit seiner Tochter Sonja anwesend war. Besonders interessant, aber auch
erschütternd, sind die Aufzeichnungen in seinen Tagebüchern vom 8.
Oktober 1944, worin er über die Verhaftung des damals schon schwer
erkrankten Pfarrers Vaahsen durch die Geheime Staatspolizei und dessen
Tod (2. Oktober 1944) berichtet. Ewald Matare widmet ihm einen
ehrenvollen Nachruf und zählt dabei sein künstlerisches Werk für die
Pfarrkirche in Wittlaer auf, dessen Auftraggeber der für die moderne
sakrale Kunst so aufgeschlossene Pfarrer Franz Vaahsen war. Im Jahre 1945 wurde Ewald Matare
an die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf zurückberufen und war noch
bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1957 als Professor für Bildhauerei
dort tätig. In dieser Zeit entstanden so monumentale Kunstwerke wie:
die Bronzetüren für das Südportal des Kölner Domes (1948 bis 1954),
das Portal am Salzburger Dom (1958), das Turmportal an der Basilika St.
Lambertus in Düsseldorf (1959 bis 1960) und das Portal, die Fassade und
der Engel über dem Giebel des Münsterschatzhauses in Essen (1955), um
nur einige seiner künstlerischen Schöpfungen zu nennen. Die Pfarrkirche St. Remigius in
Wittlaer darf sich glücklich schätzen, eine so große Vielfalt seines
künstlerischen Werks in ihren Mauern zu beherbergen. Was seiner Zeit
manchmal als umstritten galt, ist heute längst anerkannt. Was ihren
Kunstwert angeht, hat die Zeit dem verstorbenen Pfarrer Franz Vaahsen
Recht gegeben. Diese Kunstwerke sind ein Vermächtnis ihres Pfarrers
Franz Vaahsen, der zwanzig Jahre seiner Pfarrkirche dienen durfte. Literatur: Ewald Matare, Tagebücher.
Ausgewählt von Hanna Matare und
Franz Müller, Köln 1973. Eduard Trier, Ewald Matare. 2.
Auflage Recklinghausen 1958. Quelle: Pfarrchronik Wittlaer. Friedrich Scheiermann
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