12.07.00
Durch Treibeis zum Einsturz gebracht Die
wechselhafte Geschichte des Werther Hauses Unterhalb des alten bis heute
von Stadtplanung und Industriekulissen verschonten Kaiserswerth, etwa
auf halbem Wege nach Wittlaer, liegt in der noch unberührten, stillen
Niederrheinlandschaft das Werthhaus. 1633 wurde der ursprünglich
Galgenwerth genannte Komplex, damals eine Fläche von 58 Morgen
umfassend, an Rütger von Amsberg, Richter in Angermund, verpachtet und
der Pächter durch Vertrag verpflichtet, das Werth zu bepflanzen, damit
es nicht abtreibe. 1649 schenkte Pfalzgraf Wolfgang
Wilhelm (gestorben 1653) das Werth den Düsseldorfer Jesuiten zur
Aufbesserung ihrer Einkünfte; 1768 kaufte die Landesregierung die Insel
aus fiskalischen Gründen zurück. Das Werth lag, bevor
Kaiserswerth aus dem Pfandbesitz von Kurköln durch Kurfürst Carl
Theodor gelöst wurde, halb in kurkölnischem und halb in jülich
bergischem Gebiet. Weil Kaiserswerth im 14. Jahrhundert im Besitz des
Grafen von Jülich gewesen war, wurde das Werth nach 1772 als
jüliches Amt behandelt. Da es aber von 1772 teilweise zum
Herzogtum Jülich Berg gehört hatte, so galt seit 1772 für das gesamte
Werth bergisches Recht. Am 11. September 1829 und am 10.
November 1829 wurde das dominale Wittlaerer Werth zum
Verkauf ausgeschrieben. Zu dem Besitz gehörten an
Gebäude und Hofraum 1
Morgen
60,10 Ruthen an
Gärten und Obstgärten 16 Morgen
104, 10 Ruthen an
Ackerland 41 Morgen
66,10 Ruthen an
Wiesen 34 Morgen
66,50 Ruthen an
Wardholz 68 Morgen
45,00 Ruthen an
Wasser und Leinpfad 39 Morgen
62,00 Ruthen Eigentümer des Hofes wurde der
Gutsbesitzer Heinrich Schmitz aus Ilverich bei Lank. Durch Teilungsakt
vorn 23. Juli 1852 ging das Eigentum auf seine Kinder, die Geschwister
Johann Anton Schmitz und Katharina Agnes Schmitz, verehelichte Florenz,
über. Zwei Jahre später, 1854, wurde
das Werth unter die beiden Besitzer aufgeteilt: Frau Florenz geborene
Schmitz, erhielt die obere, nach Kaiserswerth hin gelegene Hälfte des
Werths; ihr Bruder, Johann Anton Schmitz, bekam die untere Hälfte mit
den aufstehenden Gebäuden wozu das heute noch erhaltene Werther Haus
gehört. 1878 verstarb Johann Anton Schmitz, und die untere Hälfte des
Werths ging durch Vertrag vom 20. Januar 1879 auf dessen Tochter Johanna
Huberta über. Johanna Huberta Schmitz hatte
1858 den Bürgermeister von Lank, Rudolf von Bönninghausen, geheiratet.
Nach dem Ableben seines Schwiegervaters verkaufte Rudolf von Bönninghausen,
der inzwischen zum Landrat avanciert war, noch im Jahre 1878 die in der
Nähe des Werthhofes stehenden 129 schweren Pappelstämme. Am 4. Oktober 1887 veräußerte
Frau Agnes Florenz, geb. Schmitz, damals in Obermörmter bei Wesel
wohnend, die ihr zugefallene obere Hälfte des Werths an Kommerzienrat
Friedrich Wilhelm Haniel in Ruhrort. Die andere, auf Wittlaer zu
gelegene Hälfte des Werths, ging am 2 1. Mai 1890 aus dem Besitz von
Frau von Bönninghausen ebenfalls auf Haniel über. Die zum Hof gehörenden Gebäude
bestanden aus dem Wohnhaus und zwei Nebengebäuden, von denen das
kleinere, dem Rhein am nächsten gelegen, schon in der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts im Rhein verschwand. Das zweite der beiden
Nebengebäude, die Scheune, wurde 1885 durch Treibeis zum Einsturz
gebracht; gleichzeitig schwemmten Hochwasser und Eisgang eine große
Strecke des Werthes ab, Die Fundamente der eingestürzten Scheune sind
noch nachweisbar. Sie ziehen sich querdurch denjenigen Weg bis in den
Garten des Hauses und sind ein Beweis für die Tatsache, daß der
Leinpfad früher nicht wie heute direkt am Hause entlang führte Aus
alten Plänen ist bekannt, daß der Pfad weitab vom Werther Hause
verlief; 1865 lag er noch über 9 Meter von der oberen, auf Kaiserswerth
zu gelegenen Hausecke entfernt. Damals machte er unterhalb des Hauses um
die zerstörte Scheune herum stromseitig einen Bogen. Infolge der dauernden Abspülungen,
insbesondere durch die verheerende Sturmflut von 1876, liegt der alte
Leitpfad heute ganz im Strom. Der jetzige Weg wurde erst nach 1899 von
dem damaligen Eigentümer des Werths angelegt. Er führt direkt über
den alten Hofbrunnen hinweg, der durch Eisenträger abgedeckt und dann
mit Steinen und Erde bedeckt worden ist. Zwischen dem ursprünglichen
Pfad und dem Rhein standen damals Korbweiden. Am unteren Ausgange des Werths,
also an der Wittlaerer Seite, war früher eine staatseigene Fähre über
den Schwarzbach, die der Eigentümer des Werths, Heinrich Schmitz aus
Ilverich, von 1829 bis 1842 gepachtet hatte. Termin zur Neuverpachtung
war am 10. Juli 1841, vormittags um 10 Uhr, in Düsseldorf. Die Pächter
waren vertraglich verpflichtet, die Fähre „lediglich zum Übersetzen
der Schiffspferde und der zu denselben gehörigen Führern" zu
verwenden; allen anderen Interessenten war die Benutzung ausdrücklich
untersagt. Eine Brücke über die
Scharzbachmündung wurde erst viel später erbaut. Der 1855 in Bockum
geborene und bis zu seinem Tode dort wohnende
Rheinstrombau‑Vorarbeiter Wilhelm Hümbs, der seit 1872 im Dienste
der Strombauverwaltung stand, erklärte, daß die erste Schwarzbrücke,
ein schmaler Fußgängersteig, im Jahre 1873 von der Strombauverwaltung
erneuert und dabei auf 2 Meter Breite gebracht wurde. Zwanzig Jahre später,
1893, wurde die Brücke vom Besitzer des Werths, mit Genehmigung der
Strombauverwaltung, umgebaut. Bei der Gelegenheit erklärte die
Rheinstrombauverwaltung, daß sie an der Brücke nicht mehr interessiert
sei, "nachdem dort Leinpfadsverkehr bzw. Schiffszug nicht mehr
stattfinden". Pächter des Werthhofes waren,
soweit das heute noch festzustellen ist: Von 1829 bis mindestens 1852
Erben Walbröhl; der spätere Wittlaerer Ortsvorsteher Wilhelm Walbröhl
(geboren 1852) und dessen Vater sind im Werthhaus geboren; von 1889 bis 1898 Theodor
Kerkhoff (geboren 1865) und dessen Schwester, die später einen Rösel
heiratete und am Heidberg (Bockum) wohnte; vor 1889 ein Pächter namens
Prang; von 1898 bis 1904 Peter
Siepenkothen; von 1904 bis in die 20er Jahre Joseph Peters (geboren
Bockum 1870); anschließend bis vor einigen
Jahren Joseph Brand sen. und Joseph Brand jun. (Sohn und Enkel des zu
Lebzeiten weit über die Grenzen Wittlaers hinaus bekannten urwüchsigen
und liebenswerten Gastwirts „Brands Jupp" [geboren Bockum 25.
Januar 1845), der seit 1875 Inhaber der bis Anfang der 30er Jahre
besonders in Düsseldorfer Künstlerkreisen geschätzten Gaststätte
„Zum Eulenspiegel" war). Eisenanker an der Nordseite des
Werther Hauses zeigen die Buchstaben CT und die Jahreszahl 1773. In dem
genannten Jahr wurde das Wohnhaus auf dem Werth auf Veranlassung des
Kurfürsten Carl Theodor umgebaut. Das heute unter Denkmalschutz
stehende Gebäude ist jetzt im Besitz der Stadt Duisburg. Vor dem Ersten Weltkrieg kam es
zwischen dem Eigentümer und der Wegepolizeibehörde (Bürgermeister zu
Kaiserswerth) zu jahrelangen prozessualen Auseinandersetzungen, weil der
Besitzer des Werths den Weg von Wittlaer, entlang dem Werther Haus nach
Kaiserswerth, für die öffentliche Benutzung sperren ließ. Nach den damals geltenden
Bestimmungen mußten in Wittlaer die für die Reparatur am Turm und die
Anschaffung der neuen Glocke von St. Remigius verauslagten Beträge auf
die im Pfarrbezirk Wittlaer, Bockum, Einbrungen und vereinzelt
auch Bewohner von Großenbaum, Huckingen und Rahm Wohnenden
umgelegt werden, und zwar ohne Unterschied der Konfession. Im Verlauf
der sich wochenlang hinziehenden Verhandlungen mit den zur
Kostenerstattung Verpflichteten schreibt der Kirchenvorstand (Pfarrer
Ostertag, H. Radmacher, A. Brors, A. Haak und H. Brandt) am 15. Dezember
1841 an den Bürgermeister Rottländer zu Kaiserswerth: „Es verlautet, daß die Erben Schmitz von dem hier in der Nähe gelegenen
Werth weder früher für Anschaffung der neuen Glocke noch jetzt für
Reparatur des Thurms zu Beiträgen herangezogen worden sind, da doch das
ganze Gut mit seinen Wiesen zur hiesigen Pfarre gehört. Ew. Wohlgeboren
machen wir hierauf mit dem ergebenen Ersuchen aufmerksam, das deshalb Nöthige
veranlassen zu wollen. " Nach Eingang des Schreibens
beauftragt Bürgermeister Rottländer den Communal Empfänger Braun zu
Ratingen den anteiligen Betrag es handelte sich um 42 Taler
4 Silbergroschen 2 Pfennig von den Bewohnern des Werther Hauses
einzuziehen. Über seinen Versuch, den
geschuldeten Betrag einzuziehen, berichtet Communal Empfänger Braun dem
Bürgermeister am 22. Mai 1842 wie folgt: „Euer Wohlgeboren stelle ich hierbei die Anlagen Ihrer gefälligen
Mittheilung vom 26. v. M. 893 zurück und bemerke zur Sache, daß die
Erben Schmitz zur Zahlung der Thlr 42
4
2 Beiträge für Pfarrhaus und Thurmreparaturen pp. im Pfarrbezirk
Wittlaer aus 1834137 und 1841 aufgefordert worden sind. Dieselben wohnen
aber außerhalb des hiesigen Empfangsbezirks, weshalb ihr Gutsverwalter
mich noch um einen 3wöchentlichen Ausstand gebeten hat, da die von ihm
beantragte Ermächtigung zur Einzahlung des Betrages, binnen dieser Zeit
wohl eingehen würde. Diesem Ansinnen dürfte wohl zu entsprechen seyn,
weshalb ich einstweilen keine Schritte gegen die Schuldner vornehmen zu
lassen gedenke. " Am 30. Mai 1842 wurde Braun
erneut beauftragt, den Betrag einzuziehen; die Zahlung erfolgte am 15.
Juni 1842. Jakob
Kau
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