12.07.00

Auch ein Maler des Niederrheins

 

Fritz Köhler, Namensgeber eines Weges in Wittlaer

 

Im vergangenen Jahr wurde aus Anlaß seines hundertsten Geburtstages des Werkes von Max Clarenbach mit einer eindrucksvollen Ausstellung im Geburtsort Neuss gedacht. Presse, Funk und Fernsehen haben ausführlich über den Maler des Niederrheins berichtet. So wurde ein Künstler in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gebracht, dessen Name geradezu zum Synonym für „Niederrheinmalerei" geworden ist.

Ein Niederrhein Maler wird auch Fritz Köhler, der Weg‑ und Zeitgenosse Clarenbachs, genannt, obwohl er sich nicht im gleichen Maße wie dieser mit dem Niederrhein identifiziert hat. War Clarenbach der geborene Niederrheiner, so mußte der Norddeutsche Fritz Köhler erst auf Umwegen zu der Landschaft finden, die dann über ein halbes Jahrhundert sein Schaffen bestimmt hat. Köhler selbst sagt in seinen Erinnerungen über diesen Weg: „In der alten Niedersachsenstadt Hildesheim kam ich am 28. Juni 1887 zur Welt. Mein Vater stammte aus dem Oberharz. Dicht unter dem Brocken wurde er als Sohn eines Köhlermeisters geboren ... Ein Bruder meines Vaters war Modelleurmeister und Lehrer an der Königlichen Hannoveranischen Eisenhütte. Er war recht begabt und konnte wie mein Vater gut zeichnen und schnitzen. Von meiner Mutter besitze ich noch ein paar schöne Zeichnungen. So kann ich wohl von einer künstlerischen Vererbung sprechen. Früh schon begann ich zu malen und zu zeichnen. Im Jahre 1892 übersiedelten meine Eltern nach Hamburg, wo ich eingeschult wurde. Unser Zeichenlehrer hatte Spaß an mir, im Gegensatz zu unserem Klassenlehrer, dem meine Schrift nicht gefiel ...

Kurze Zeit besuchte ich die Kunstgewerbeschule in Hamburg und Altona. Als dann mein Vater unter Vorlegung meiner Arbeiten von dem damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, Professor Alfred Lichtwark, den Rat erhielt, mich auf die Hochschule für bildende Kunst nach Weimar zu schicken, war ich der glücklichste Mensch. Jetzt konnte ich beginnen und stürzte mich mit Begeisterung in mein Studium ... Ich wurde Meisterschüler des bedeutenden Landschafters Theodor Hagen bis zum Jahre 1912. Nach Abschluß meines Studiums ging ich in meine alte Heimatstadt Hamburg, wo ich mir in einem großen Bürohaus ein Atelier einrichtete.

Durch meine Verlobung kam ich nach Düsseldorf. Mein Schwiegervater, alter kaiserlicher Kapitän, der mit Professor Franz Kiederich und anderen Düsseldorfer Künstlern befreundet war, hielt Düsseldorf für meine künstlerische Zukunft geeigneter als Hamburg. Er selbst besaß eine Sammlung von Werken zeitgenössischer rheinischer Maler wie Max Clarenbach, Wilhelm Schmurr, Heinrich Herrmanns, Erich Nikutowsky, Richard Bloss und Adolf Schönnenbeck.

Als ich im Jahre 1913 nach Düsseldorf übersiedelte, ging es schnell vorwärts, und ich setzte mich bald durch. Als Landschaftsmater fesselte mich der Niederrhein. Die Weite, die Atmosphäre, der hohe Himmel, die Schlichtheit dieser Landschaft boten mir immer neuen Reiz und neue Aufgaben . . ."

Wenn Fritz Köhler auch kein Schüler der Düsseldorfer Akademie war, so ist er durch seinen Weimarer Lehrer Theodor Hagen doch ein legitimer Nachkomme der Düsseldorfer Malerschule. Der Düsseldorfer Theodor Hagen war Schüler und später eine Zeitlang Nachfolger Oswald Achenbachs an der Düsseldorfer Akademie, bevor er nach Weimar an die Kunsthochschule berufen wurde, deren Direktor zu dieser Zeit Fritz Mackensen war. (Jener Mackensen, der mit Otto Modersohn und Vogler die Worpsweder Künstlerkolonie gründen sollte.)

Es ist ein überraschendes Phänomen, daß sich die jungen deutschen Künstler in den Jahren um die Jahrhundertwende allerorts der in Frankreich und in den Niederlanden entdeckten impressionistischen Pleinair Malerei mit ihrer ungebrochene Farben bevorzugenden Palette zuwandten. Unabhängig von den Düsseldorfer Kollegen Clarenbach, Ophey, J. Kohlschein und anderen Gleichgesinnten malt Fritz Köhler in Weimar lichtdurchflutete starkfarbige Bilder in einem Stil wie ihn Max Ophey dann in Düsseldorf zu einer für ihn charakteristischen Malweise kultivierte. Es sind zumeist Landschaften mit Motiven des thüringischen Hügellandes mit hohen silbrigen Lüften. Diese Landschaftsstudien, die vom Künstler sorgsam wie Kostbarkeiten gehütet und als Jugendarbeiten nie ausgestellt, geschweige denn verkauft wurden, waren die große Entdeckung bei der Sichtung des Nachlasses, obwohl sich schon 30 dieser kleinformatigen Gemälde als Geschenk des Künstlers im Stadtmuseum Düsseldorf befanden.

Erst mit der 1913 vollzogenen Übersiedlung nach Düsseldorf lernte Fritz Köhler den Niederrhein mit seinen mannigfaltigen malerischen Möglichkeiten kennen, und bald hatte er sich im Kreise seiner neuen Kollegen einen festen Platz erobert. Seine bevorzugten Gebiete für seine Studienstreifzüge waren zunächst die Erftniederung und die nähere Umgebung seiner ersten Ateliers im Stadtteil Oberkassel (Brend'amourstraße, Düsseldorfer Straße und Drakeplatz). Später weitete er sein Revier' aus bis auf die Höhe von Homberg und Duisburg. Eine besonders bevorzugte Gegend war die weitere Umgebung von Ilverich, von deren Reizen, geprägt durch stille Altwässer, Hecken, Gräben und Weidenbüsche, er eindrucksvolle Gemälde schuf.

Ein besonders typisches „linksrheinisches" Motiv Köhlers zeigt der „Landweg bei Kaarst, Oktober", ein in breitem, pastosem Pinselstrich gemaltes Bild. Es ist charakteristisch für die nachimpressionistisch aufgelockerte Malweise Köhlers in den späten 20er und frühen 30er Jahren. Die Farbgebung ist äußerst nobel und differenziert in Grau  und Erdtönen.

Dennoch hat sich Fritz Köhler in einer Reihe von Arbeiten auch dem rechten Rheinufer gewidmet und topographisch exakte „Ansichten" hinterlassen.

In die frühen 30er Jahre gehört ein großformatiges Gemälde, das eine Ansicht der alten Schnellenburg zeigt. Typisch für Köhler ist die Angabe der langgestreckten Horizontlinie und die besondere Betonung von Himmel und Wasserfläche. Das weit gestreckte Bildformat vermag zudem etwas von der Eigentümlichkeit niederrheinischer Landschaft auszusagen. In den 30er Jahren, in denen sich Köhler häufiger mit Industriemotiven beschäftigt hat, entstand die panoramaartige Ansicht der Alten Hochfelderbrücke mit der Niederrheinhütte vor Duisburg. Mit dem Weg als Repoussoir im Vordergrund und der weit in die Tiefe führenden Horizontlinie ist er hier an klassischen Formeln der Vedutenmalerei orientiert. Das Thema ist die durch die Industrie verursachte „technologische" Umformung rheinischer Landschaft, die durchaus als Gegenbild zu der Darstellung „intakter" Naturausschnitte zu verstehen ist.

Im Zweiten Weltkrieg verlor der Künstler Wohnung und Atelier und wurde wie andere Düsseldorfer Kollegen nach Bayern (Schloß Berchtesgaden) evakuiert. In diesen Jahren setzte er sich mit den neuen Dimensionen und den völlig anders gearteten atmosphärischen Gegebenheiten der Gebirgslandschaft mit Erfolg auseinander. Wenn ihm hier auch interessante Schilderungen des Berchtesgadener Landes gelangen, so war der Aufenthalt in Bayern doch für ihn ein Exil, aus dein er 1945 so bald als möglich an den Niederrhein zurückeilte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Köhler verschiedentlich vom linken Rheinufer aus Ansichten der Düsseldorfer Seite gemalt. So zeigt ein mit weitem Horizont komponiertes Bild das linke Rheinufer im Vordergrund und führt den Blick des Betrachters über den Strom zur Kaiserswerther Seite, die durch die Silhouette der Kaiserpfalz akzentuiert wird.

Von seinem letzten Atelier im Künstlerhaus Sittarder Straße zog er wieder fast täglich in die ihm lieb gewordene Landschaft hinaus. Daß seine Studien Ausflüge auf der rechten Rheinseite (meist noch in den letzten Lebensjahren zu Fuß) in Kaiserswerth endeten, um dann (mit der Fähre übergesetzt) in Lank weiter ins Linksrheinische zu führen, hatte einen besonderen Grund. Aus Achtung und Fairness dem Kollegen Clarenbach gegenüber, der die nähere Landschaft um Wittlaer herum mit Schwarzbach und Angerentdeckt und künstlerisch vollendet gestaltet hatte, mied er die ausgesprochen typischen „Clarenbach Motive" bewußt. Er respektierte das „Hausrevier" des von ihm hochgeschätzten Kollegen, der  wie er selber­ Mitbegründer der seit 30 Jahren bestehenden Düsseldorfer Künstlergruppe 1949 war. So gibt es in seinem Werk recht  wenige Bilder mit einer spezifischen „Wittlaer" Darstellung.

In den 50er Jahren hat sich Köhler dann aber doch mit einem Motiv befaßt, das vor ihm bereits Max Clarenbach in einer Reihe von Darstellungen verewigt hat: „Überschwemmung bei Wittlaer". Der hochgezogene Horizont, die silbrige Farbgebung und das weiche Sfumato der Atmosphäre sind hier unverkennbar Stileigenschaften des Malers.

So konnte bei der Suche nach einem Stadtteil, um den Künstler mit einer Straßenbenennung zu ehren, kein besserer Ort als Wittlaer gewählt werden, hier finden sich alle Elemente der Niederrhein‑Landschaft, die im Schaffen Köhlers eine ‑ wenn auch nicht ausschließliche ‑ doch bedeutende Rolle spielen. Es ist sinnvoll, daß in Wittlaer zwei Künstler durch einen nach ihnen benannten Weg geehrt werden, die in ihrem Werk an die Pflege und Erhaltung einer Umwelt mahnen, die permanent und in zunehmendem Maße von ökologischer Störung bedroht ist.

Fritz Köhler hat in den rund sechs Jahrzehnten seines Schaffens in Düsseldorf nicht nur ein

äußerst umfangreiches, sondern auch ein im Getriebe der Moderne zu Unrecht nicht immer voll gewürdigtes Oeuvre hinterlassen, dessen beste Leistungen ebenbürtig neben denjenigen der   großen Düsseldorfer Landschafter des vorigen Jahrhunderts stehen. Von Anfang an war Köhler       auch ein fanatischer Zeichner, der unablässig vor der Natur gearbeitet hat. Hierbei zeigt sich,   daß Köhler gerade im zeichnerischen Werk manche der großen künstlerischen Tendenzen          seines Jahrhunderts verarbeitet hat. In der Weimarer Zeit zeigen sich Einflüsse aus der Graphik und Zeichnung des Jugendstils, in den 20er Jahren Elemente expressionistischer Formgebung.

   So erweist sich Köhler als ein Künstler, dessen Stärke gerade in seinen mimetischen

Bestrebungen, dem könnerhaften Festhalten an der gegenstandsbezogenen Düsseldorfer Mal­

und Zeichentradition liegt.    

 

Dirk Kocks

 

Zu Fritz Köhler siehe:

Kocks, F., und Tristram, R. E.: Fritz Köhler, Düsseldorf

Kocks, D.: Fritz Köhler, Handzeichnungen

Katalog der 80. Ausstellung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Köln, Köln 1977